Was sind Förderkreise?

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Warum gibt es Förderkreise (FK)?

Die sieben deutschen Förderkreise setzen sich für weltweite Solidarität und soziale Gerechtigkeit ein. Sie leisten entwicklungspolitische Bildungsarbeit und bieten die Möglichkeit, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Dies hier ist anders

Dies hier ist anders

Daniel Sommer.jpg14.12.2018

Mehr als 6.800 Anlegerinnen und Anleger investieren über den Westdeutschen Förderkreis ihr Geld bei Oikocredit. Sie unterstützen die Arbeit der Genossenschaft auf dem Hintergrund ihrer Erfahrungen und ihrer Haltung zur Welt. Wie Daniel Sommer. Marion Wedegärtner sprach mit ihm über 9.155 Kilometer Luftlinie hinweg via Skype in Sepon, Laos, wo er seit Sommer 2017 als Berater einer kleinen Mikrofinanzinstitution arbeitet.

Daniel Sommer war schon zu Studienzeiten Anleger bei Oikocredit, das Thema Mikrofinanz beschäftigt ihn seit langem. „Das ist gewollt, hat sich aber auch so ergeben“, sagt er. 2011 war er das jüngste ehrenamtliche Mitglied im Vorstand der Westdeutschen Förderkreises, drei Jahre später hauptamtlicher Mitarbeiter in der Bonner Geschäftsstelle als Referent für Öffentlichkeitsarbeit. Im Juli 2017 reiste der Sozialwissenschaftler nach fünfwöchiger Vorbereitungsphase als Entwicklungshelfer nach Laos aus – entsandt über die Deutsche Gesellschaft für Internatio- nale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Dort arbeitet er als Berater bei Savan Denkham, einer kleinen Finanzinstitution, die die GIZ vor sieben Jahren initiiert hat. Die Laotisch-Kenntnisse reichen für die Bewältigung des Alltags, auf der Arbeit wird Englisch gesprochen.

Es ist Freitag, der dreizehnte. 13:00 Uhr in Deutschland, 18:00 Uhr in Laos. 28 Grad Celsius und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit sind die Regel. Um halb sieben wird es stockdunkel. Daniel Sommer hat soeben Feierabend, er sitzt auf der Terrasse vor der Kamera seines Tablets. Seine Frau Sarah, für zwei unbezahlte Urlaubsmonate zu Besuch, huscht zuweilen durchs Bild. Daniel Sommer freut sich, dass sie da ist. Die Distriktstadt Sepon in Zentrallaos ist für den Duisburger eher ein Dorf, hat knapp 15.000 Einwohner*innen, kein Café, keine Kneipe, kein kulturelles Angebot. „Das ist gewöhnungsbedürftig.“ Nur alle zwei Monate reist Sommer zu Besprechungen in die Hauptstadt Vientiane. Dafür habe er hier ein schönes Haus mit Bananenstauden und Papaya-Baum. Und manchmal trifft er sich mit seinen laotischen Kolleg*innen zum Karaoke-Singen, obwohl er, wie Sommer sagt, weder gut noch gerne singt. Aber: „Das ist hier super beliebt, irre laut und irgendwie unkompliziert.“ Und jeden Morgen scheppert die Internationale durch den öffentlichen Lautsprecher vor dem Haus.

Gartenzäune aus Bomben
Die Demokratische Volksrepublik Laos gehört zu den wenigen kommunistisch regierten Ländern der Welt. Das einzige Binnenland Südostasiens hat eine leidvolle Geschichte. „Über Laos gingen im Vietnamkrieg mehr Bomben nieder als während der Bombardierungen des gesamten zweiten Weltkriegs. Die Folgen sind allgegenwärtig“, sagt Sommer. Die US-Amerikaner bombardierten Laos, um Versorgungsnachschub und Kommunikation zwischen Nordvietnam und kommunistischen Kämpfern in Südvietnam über den Ho-Chi-Minh-Pfad zu torpedieren. Etwa jede dritte der Streubomben, die durchschnittlich im Sekundentakt neun Jahre lang auf Laos fielen, explodierte nicht. 80 Millionen Blindgänger sind die gefährliche Hinterlassenschaft des Krieges, zahlreiche Organisationen versuchen heute, sie aufzuspüren und zu entschärfen. Sepon, der Ort, an dem Daniel Sommer wohnt und arbeitet, liegt am Ho-Chi-Minh-Pfad und war 1971 Ziel einer Großoffensive. Zehntausende Menschen sind nach Kriegsende durch die Blindgänger umgekommen oder verletzt worden. Dennoch ist das Bombenmetall, teilweise eingeschmolzen, eine wirtschaftliche Ressource und ein beliebtes Baumaterial. „Man sieht Gartenzäune aus Bomben“, sagt Sommer.

Er ist schon mehrmals in Asien gewesen und er kennt Mikrofinanzinstitutionen. 2009 machte der heute 32-Jährige während des Studiums ein mehrmonatiges Praktikum bei der Grameen Bank in Bangladesch, mit der Oikocredit Study-Tour reiste er nach Bolivien. „Aber dieses hier ist anders“, sagt er. Der Arbeitsalltag in der Mikrofinanzinstitution ist vor allem eins: „sehr sehr komplex“. Mikrofinanz in Laos ist weit weniger etabliert als in anderen Ländern Asiens. In den entlegenen Regionen, in denen Savan Denkham größtenteils tätig ist, gibt es keine regulären Banken, allen- falls sogenannte Village-Funds, die einmalig Geld ins Dorf stecken. Die Menschen leihen sich Geld bei teuren Geldverleihern oder innerhalb der Familien. Savan Denkham hat als Dachverband inzwischen  112 Dorfbanken gegründet, zum Beispiel in Nahoy, wo rund 200 Menschen leben. Daniel Sommer zur Vorgehensweise: „Wir stimmen uns zunächst mit der Distriktverwaltung ab, reden mit dem Vorsteher, infor- mieren uns über die Situation vor Ort. Wenn es grünes Licht gibt, gründen wir eine Dorfbank und unterstützen sie von da an kontinuierlich. Die Dorfbanken öffnen nur einen Tag im Monat. Dieser Service-Tag wird immer von einem unserer Mitarbeiter*innen begleitet.“

Dorfbanken schaffen Strukturen
Die Dorfbanken selber wählen einen fünfköpfigen Vorstand, der wiederum im Dachverband stimmberechtigt ist und dessen Vorstand wählt. „Dieses fast genossenschaftliche Prinzip ist für die Akzeptanz unserer Arbeit ein großer Vorteil“, sagt Sommer. Der Dachverband, erzählt er weiter, finanziert Darlehen ausschließlich aus den Spareinlagen der Mitglieds- dorfbanken. Die haben 13.000 Kundinnen und Kunden, deren Sparanlagen umgerechnet 3,3 Millionen Euro ausmachen. Die durchschnittliche Kredithöhe liegt bei umgerechnet 600 Euro. Im Angebot ist vieles: Konsumkredite, Kredite für Landwirtschaft, Handel, Produktion oder, „ganz wichtig“, Notfallkredite für Medikamente oder Krankenhausaufenthalte.  Die Gründe für die Kredite sind so heterogen wie die Kundschaft selbst. Digitalisierung ist bisher kein Thema, ausgezahlt wird in bar. „20 Kilometer abseits der größeren Straßen“, sagt Sommer, "gibt es auch keine Smartphones mehr".

Die Dorfgemeinschaften regelmäßig aufzusuchen ist wichtig, aber kosten- und personalintensiv. Die GIZ unterstützt die Institution finanziell, vor allem aber technisch, bietet Trainings und Fortbildungen an, beispielsweise zur finanziellen Grundausbildung –  etwas, das hilft, Risiken zu mindern. Noch läuft es besser, sagt Sommer, wenn ein Berater oder eine Beraterin der GIZ vor Ort ist. Immerhin drei der sieben Finanzinstitutionen, die die GIZ in Laos gegründet hat, kommen inzwischen ohne Beratung aus und arbeiten finanziell nachhaltig. „Savan Denkham ist noch nicht ganz so weit.“ Es ist seine Aufgabe, das Managementteam zu beraten, Risiken zu kontrollieren, Nachhaltigkeit und Effizienz interner Abläufe zu gewährleisten und die finanzielle Nachhaltigkeit voranzubringen. Es sei ihnen gelungen, so Sommer, die Abläufe zu verbessern und zu vereinfachen und dadurch mehr Gewinn zu erwirtschaften. Buchhaltung, Produktentwicklung, Bankenkennzahlen und vor allem Geduld habe er in den vergangenen anderthalb Jahren gelernt, erzählt Daniel Sommer. Fünf-, sechsmal im Monat fährt er mit in die Dörfer, wenn eine der Dorfbanken Probleme bei der Buchhaltung hat beispielsweise, aber besonders gerne zu den Jahresversammlungen, bei denen auch die Dividende ausgezahlt wird. „Das ist ein Ritual, ein Ereignis, zu dem alle kommen.“

Schulbesuch ist noch nicht Bildung
 „Ich kann hier wirklich sehen, wie wichtig es ist, dass die Mikrofinanzorganisation selber vernünftig arbeitet. Nur dann funktioniert Mikrofinanz. Sie ist ein wichtiges Angebot. Selbst im entlegensten Dorf hier sind die Menschen Teil des Geldsystems. Sie sind auf Geld angewiesen und müssen Zugang dazu haben.“ Sicher, Mikrofinanz funktioniere marktwirtschaftlich. „Ohne Geschäftsideen brauchst du keinen Kredit“, setzt Sommer nach und erzählt, dass es mitunter Kund*innen gebe, die sagen, sie würden gerne nicht nur sparen, sondern auch Kredite aufnehmen, etwas produzieren und ein Einkommen erwirtschaften, wüssten aber nicht, was sie produzieren oder anbauen sollen und wer Ihnen die Produkte abnehme. „Sie wollen keinen Kredit aufnehmen, wenn sie nicht sicher sind, wie sie ihn zurückzahlen sollen.“ Allemal aber schafften die Dorfbanken Strukturen, die andere Dinge finanzieren können, ermöglichen den Bau von Gemeinschaftseinrichtungen beispielsweise.

Ende des Jahres läuft Sommers Vertrag aus. Er will noch gemeinsam mit seiner Frau in den Norden des Landes fliegen, den er zwölf Jahre zuvor mit dem Rucksack bereist hat. Dann zieht es ihn zunächst einmal zurück nach Deutschland. Als Student hat Daniel Sommer die Initiative Weitblick mitgegründet, die sich für Bildungsarbeit hierzulande und Bildungsprojekte im globalen Süden einsetzt. Die Erfahrung in Laos, wo der Schulbesuch nicht gleichzusetzen sei mit guter Schulbildung, habe ihm einmal mehr gezeigt, wie zentral gute Bildung sei, sagt er. Er kann sich vorstellen, nach seiner Rückkehr in diesem Bereich zu arbeiten. „Beide Themen sind mir wichtig“, sagt Daniel Sommer. Mikrofinanz und Bildung. Wenn überhaupt, dann Bildung vielleicht aber doch ein kleines bisschen wichtiger.
 

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Kontakt

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D-53113 Bonn
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